Entwicklung und Anatomie der Apophyse

Apophyse

Der Begriff Apophyse (griechisch „Apophysis”: Fortsatz, Vorsprung) bezeichnet in der Medizin einen Knochenfortsatz, der den Ansatz für Bänder, Sehnen und Muskeln bildet. Apophysen wirken als Hebelarme. Sie verstärken die Übertragung der Muskelkraft auf den Knochen. Beispiele für solche Knochenfortsätze sind etwa der Trochanter major („großer Rollhügel”) und der Trochanter minor („kleiner Rollhügel”) am Oberschenkelknochen oder die Tuberositas tibiae („Schienbeinrauigkeit”) an der vorderen Kante des Schienbeins (Tibia).

Entwicklung und Anatomie der Apophyse

Während der Knochenentwicklung entstehen Knochenfortsätze aus einer eigenen Gewebezone, die als Knochenkern oder Ossifikationszentrum bezeichnet wird. Von ihnen geht die Verknöcherung aus. Die meisten Knochen weisen mehrere solcher Ossifikationszentren auf. Sie sind im Röntgenbild nachweisbar und lassen sich unter anderem zur Bestimmung des Knochenalters bei Kindern heranziehen.

Die Ossifikationszentren von Knochenfortsätzen sind über eine Knorpelfuge mit dem Knochenkern des zunächst knorpeligen Gelenkendes (Epiphyse) der langen Röhrenknochen verbunden. Im Verlauf der Entwicklung verknöchert die Epiphyse und verbindet sich gewöhnlich mit dem Röhrenknochen und seinem Fortsatz. Manchmal bleibt der Knochenkern jedoch als eigenständige Struktur bestehen.

Krankheitsbilder der Apophyse

Wiederholte kleinste Verletzungen (Mikrotraumata) können zum Ablösen des Knochenfortsatzes führen (Apophysenlösung). Die Fortsätze können außerdem durch intensive und plötzliche fehlerhafte Belastung, etwa beim Sport, oder durch Unfälle vom Knochen abreißen (Apophysenabriß).

Vor allem bei sportlich aktiven Kindern und Jugendlichen kann es in der Wachstumsphase zu Reizungen am Ansatz der Kniescheibensehne (der Tuberositas tibiae) kommen. Ursache dafür ist eine vermehrte Zugbelastung an der Patellarsehne während der Verknöcherungsphase der Epiphysen und Apophysen (Ossifikationsphase). Ist die Vereinigung des Knochenkernes der Apophyse mit dem Knochenkern des knienahen Schienbeinknochens gestört oder kommt es sogar zum Ausriss der Kniescheibensehne, äußert sich dies in Schwellung und Schmerzen. Ein besonders hohes Risiko besteht bei Sportarten, bei denen schnelle Richtungswechsel und Sprünge ausgeführt werden, wie zum Beispiel beim Tennis, Fußball oder Volleyball.

Die Erkrankung wird nach ihren Beschreibern, den Chirurgen Robert B. Osgood und Carl Schlatter, als Morbus Osgood-Schlatter bezeichnet und tritt meist zwischen dem neunten und dreizehnten Lebensjahr auf. Obwohl sie nicht gefährlich ist, kann sie bei ausbleibender Schonung zu langanhaltenden Schmerzen und wiederholten Sportunfähigkeiten führen, was Betroffene sehr belasten kann.

Therapie bei Apophysenschädigungen am Kniegelenk

Die Therapie von Morbus Osgood-Schlatter richtet sich nach der Intensität und der Dauer der Beschwerden. Gewöhnlich reicht es aus, das Kniegelenk für einige Zeit zu entlasten. Zudem helfen schmerzlindernde Medikamente und kühlende Verbände gegen die Beschwerden. Bei anhaltenden Beschwerden sollte eine Abklärung in einer Klinik oder bei einer/einem Fachärztin/Facharzt für Orthopädie erfolgen. Selten muss bei fortgeschrittenem Verlauf das Kniegelenk durch einen Gipsverband oder eine Orthese ruhiggestellt werden, bis die Schmerzen abgeklungen sind. Bei leichteren Ausprägungen kann es reichen einige Zeit auf Lauf- und Sprungsportarten zu verzichten. Zusätzlich können spezielle Kniegelenksbandagen die Schienbeinapophyse bei sportlicher Aktivität schützen.

Bringt die konservative Therapie keine anhaltende Besserung, können die freien, abgesprengten Knochenteilchen innerhalb der Kniescheibensehne auch chirurgisch entfernt werden. Der operative Eingriff führt in der Regel zu einem deutlichen Rückgang der Symptome. Voraussetzung ist allerdings, dass das Knochenwachstum bereits abgeschlossen ist.